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António Pinto und der Wein:
"Je älter, desto besser"
20.04.2000
Eine Flasche Wein war nicht griffbereit. Es wäre aber ohnehin schwierig gewesen, eine zu finden, die den Ansprüchen eines António Pinto genügt hätte. Denn der Portugiese besitzt in seiner Heimat bei Amarante in der Nähe von Porto ein Weingut. Nach Saisonschluss im letzten Jahr - Pinto hatte bei den Weltmeisterschaften in Sevilla über 10.000 m Platz fünf belegt -, trank der Langstreckenläufer mit dem ungewöhnlichen Hobby jeden Tag eine Flasche. "Die Folge war, dass ich Ende Dezember zwölf Kilogramm zugenommen hatte", erzählt António Pinto. Mit Beginn des Olympiajahres hielt sich der nur 1,66 m große und in Wettkampfzeiten nicht einmal 60 Kilogramm wiegende Athlet jedoch zurück. Die Abstinenz hat sich gelohnt. Bei seinem sechsten London-Marathon erreichte António Pinto zum dritten Mal als Sieger das Ziel und lief mit 2:06:36 Stunden als erster Europäer unter 2:07 Stunden.Nie hat sich António Pinto in London schlechter als auf Rang drei platziert, doch vor einem Jahr machte er einen ärgerlichen Fehler. Er verpasste den Antritt von Abdelkader El Mouaziz und wusste lange Zeit nicht einmal, dass der Marokkaner einen enormen Vorsprung vor seiner Gruppe hatte. Als der Portugiese es schließlich merkte, war es zu spät. Dieses Mal hat der 34-Jährige besser aufgepasst. Und schließlich war er es, der außer Sichtweite seiner Verfolger war. "Ich bin froh, dass der Europarekord in Portugal bleibt und stolz zugleich, dass ich es geschafft habe, die Bestzeit von Carlos Lopes zu brechen", sagt António Pinto, der die fünftschnellste Zeit aller Zeiten rannte.
"In diesem Jahr habe ich zwei Prioritäten gesetzt: Erstens den London-Marathon und zweitens Olympia - es werden meine letzten Spiele sein", erklärt António Pinto, der auch in Sydney Marathon laufen wird. "London hat für mich einen hohen Stellenwert, weil der Lauf so gut besetzt ist, dass er wie eine Vorschau auf Sydney ist." Die Generalprobe hat er also gewonnen, doch wenn er bei großen Meisterschaften bisher über die klassische Distanz startete, dann gab es für den Portugiesen nur Enttäuschungen. 1992 in Barcelona gab er auf, vier Jahre später wurde er bei Olympia 14. und bei der WM in Athen erreichte er ebenfalls nicht das Ziel. "Ich bin eben auch nur ein Mensch, bei einem Marathon geht nicht immer alles wie geplant", erklärt António Pinto. "Hohe Temperaturen können für mich ein Problem sein, da fühle ich mich manchmal nicht wohl. Nach den Erfahrungen in Atlanta und in Athen, wo auch noch die Luftverschmutzung hinzu kam, hatte ich von vornherein nie einen Marathon-WM-Start in Sevilla in Erwägung gezogen", sagte Pinto, der bereits im vergangenen Jahr einen Landsmann als Europarekordler abgelöst hatte. In Stockholm verbesserte er die 15 Jahre alte 10.000-m-Zeit von Fernando Mamede auf 27:12,47 Minuten, nachdem er 1998 Europameister über diese Distanz geworden war.
Erst im Alter von 20 Jahren hat der frühere Radsportler Pinto mit dem Lauftraining begonnen. Nachdem er sich zunächst auf die 10.000-m-Strecke konzentriert hatte und 1988 bei Olympia 13. war, lief er 1991 seinen ersten Marathon. Inzwischen hält es António Pinto mit seinen sportlichen Erfolgen ebenso wie mit der Lagerung seiner Weinflaschen: Je länger sie reifen, desto besser. In den letzten zwei Jahren hat er alle seine alten Bestzeiten unterboten. 1998 hielt er mit 59:43 Minuten kurzzeitig sogar die Weltbestzeit im Halbmarathon. Trotzdem denkt er jetzt an das Ende seiner Karriere. "Ich weiß nicht, wann ich sie beende. Aber ich denke, das werden meine letzten Olympischen Spiele sein, obwohl Carlos Lopes noch mit 37 Jahren Olympiasieger geworden ist. Aber ich weiß nicht, ob ich bis 2004 noch diesen Leistungsstandard halten kann." Eine Medaille ist das Ziel des Portugiesen in Australien. "Sydney wird ein ganz anderes Rennen. Da geht es nicht um die Zeit, sondern um einen Podiumsplatz. es ist wichtig, dass man das Tempo nicht zu früh erhöht, um auf den letzten zehn Kilometern noch Kraft zu haben", blickt António Pinto voraus, der genau mit dieser Taktik auch in London gewann.
Ob er sich vorstellen kann, dass andere Athleten auch regelmäßig Wein trinken, wurde António Pinto nach seinem Sieg in London gefragt. "Nun, wenn ich meinen Wein verkaufen würde, dann würden sie ihn vielleicht auch trinken!"
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